Rieter-Fenster

Erläutert von Kirchenführer Lutz Henning

Das Rieter-Fenster stammt von 1480 oder kurz danach, der Meister ist unbekannt. Die Bilder dieses Fensters sind in einen architektonischen Gesamtrahmen eingepasst. Links und rechts Fialen, oben ein hängendes Maßwerk und als Abschluss wiederum Fialen, die ein Medaillon mit Gottvater im brennenden Dornbusch umschließen.

Die Glasbilder haben ein sehr seltenes Thema: Geschichten aus den Büchern Mose.

Die handelnden Personen sind an den Kleiderfarben zu erkennen. Moses blau, Aaron rot, Josua als Kundschafter weiß, später gold. Buchstaben und römische Ziffern auf den Bildern sind Zitate aus der vorreformatorischen Bibel. Die Erzählung beginnt oben.

Oberste, sechste Bildzeile (2. Buch Mose):

• Mose hütet die Herden seines Schwiegervaters Jitro.

• Mose erblickt Gott im brennenden Dornbusch – durch den Blick des Mose nach oben, wird das Medaillon in den Erzählstrang eingewoben.

• Gott überzeugt den an seiner Berufung zweifelnden Mose durch die vorübergehende Verwandlung seines Hirtenstabs in eine Schlange.

• Mose verabschiedet sich von Jitro.

Fünfte Zeile:

• Mose bricht mit seiner Familie nach Ägypten auf.

• Die Beschneidung des ältesten Sohnes.

• Mose trifft Aaron.

• Aaron spricht für Mose vor den Ältesten des jüdischen Volkes (Judenhüte!).

Vierte Zeile:

• Mose und Aaron appellieren an den Pharao: Lass das jüdische Volk ziehen.

• Die zehn Plagen künstlerisch überzeugend konzentriert: In der Finsternis strömt Blut vom Himmel. Es hagelt Frösche, Stechmücken, Ungeziefer, Heuschrecken. Auf der Erde verbreiten sich Viehsterben, Krankheit, Tod (des Erstgeborenen). Die Juden am linken Bildrand bleiben unbeeinträchtigt.

• Der Pharao genehmigt den Auszug der Juden.

Dritte Zeile:

• Im roten Meer wird das Heer des Pharao vernichtet.

• Gott übergibt die Gesetzestafeln an Mose.  

• Aus Zorn über den Tanz ums goldene Kalb zertrümmert Mose die Tafeln.

Zweite Zeile (4. Buch Mose):

• Die Kundschafter.

• Mose stellt Josua dem Volk vor.

• Mose stirbt.

• Josua führt das Volk ins Gelobte Land.

Erste Zeile:

Von rechts nach links die beiden Stifter, deren Wappen und deren männliche Vorfahren.

Stiftungsanlass und Stifter

Der Anlass für diese Stiftung war die glückliche Heimkehr des Sebald Rieter von einer Pilgerreise ins Heilige Land. Dabei hatte er die Orte des Alten Testaments kennengelernt.

Stifter sind die Brüder Sebald († 1488) und Peter († 1502). Sebald trägt eine auffällige Ordenskette. Links daneben die Wappenschilder der Stifter mit den Beischildern ihrer Ehefrauen. Neben der gemeinsamen Helmzier sind die Abzeichen der Ritterorden Sebalds abgebildet. Von links: Ritter vom Hl. Grab, Zypriotischer Schwertorden, Katharinenorden vom Sinai, Aragonesischer Blumenorden (Sebald trägt dessen Kette). Die Ordensträger mussten sich verpflichten, den Ordensgeber bei einer Verteidigung des Heiligen Landes zu unterstützen.

Die Pilgerreise

Diese Reise ist sehr gut dokumentiert durch den mitreisenden Hans Tucher, dessen Reisebeschreibung vielfach von Pilgern als Reiseführer genutzt wurde.

Die Reise dauerte 344 Tage und führte über Innsbruck, Venedig, Zypern, Jaffa nach Jerusalem. Rückreise über das Katharinen Kloster im Sinai und Kairo nach Alexandria. Schiffsreise nach Venedig. Triumphale Heimkehr mit Abholung durch ein Ehrengeleit in Kornburg.

Die Kosten dieser Reise betrugen 300 Dukaten. Für diese Summe hätte ein Maurermeister 20 Jahre lang arbeiten müssen.

Die Meisterfrage

Stilvergleiche weisen nach Regensburg. 1453 hatte der Regensburger Rat den Nürnbergern den „Meister Conrad, maler“ empfohlen, der 1476 das Nürnberger Bürgerrecht erwirbt. Dieser könnte der gesuchte Glaskünstler sein.