Marthaaltar

Erläutert von Kirchenführerin Marie-Louise Meyer-Harries

Der Name „Marthaaltar“ weist darauf hin, dass die Besonderheit dieses Kunstwerks das „Weibliche“ ist. Er stand einst in der Marthakirche, die eine Pilgerkirche war, d.h. dort wurden im Wesentlichen die pilgernden Gäste von Frauen versorgt. Dieses Kunstwerk wird hier in der Lorenzkirche auch als Frauenaltar bezeichnet und stellt im Grunde das Hohelied auf die Frau dar. Es geht dabei nicht nur um Weiblichkeit, sondern um all die besonderen Talente, die im Verständnis der damaligen Zeit bei Frauen besonders deutlich ausgeprägt sind und die unter die Überschrift „Nächstenliebe“ gestellt werden können.

Der Altar stand ab 1517 in der Marthakirche, hat sich aber im Laufe der Zeit immer wieder verändert. Um 1560 herum wurde z.B. auf der Innenseite im reformatorischen Geist ein „Ecce Homo“-Bildnis eingefügt. Im Jahr 1800 wurde die Marthakirche der ev. Reformierten Kirche übergeben, und 1829 wurde, wegen des Bilderverbots bei den Reformierten Christen, der Marthaaltar in die Lorenzkirche verlegt.

Der Stifter des Altars ist unbekannt, ebenso der oder die Künstler, die daran gearbeitet haben. Die Tafelbilder werden dem Umkreis des Wolf Traut zugeschrieben.

Der Altar ist ein Wandelaltar, der nur an den Feiertagen offen steht und dann folgendes Bildprogramm zeigt (v.l.n.r.): Apostel Matthias, Maria Magdalena, „Ecce Homo“-Bild, darüber ein sogenannter „Gnadenstuhl“, Martha, Bischof Lazarus. Die Innenseite der Predella zeigt Anna-Selbdritt und die heilige Elisabeth mit ihrer Brotspende.

Die Tafelbilder

Die Werktagsseite, die meistens zu sehen ist, zeigt wunderbare, bunte Gemälde – Frauen dominieren. Auf der Predella, direkt auf der Mensa des Sandsteinsockels, sind sechs heilige Frauen dargestellt: Agatha, Katharina, Ottilie, Klara, Barbara und Dorothea.

Auf dem geschlossenen Schrein sind Szenen aus der Martha-Legende dargestellt:

1. Bild: Martha in ihrer Heimat als Gastgeberin für Jesus.

2. Bild: Lazarus, der tote Bruder der beiden Schwestern, wird von Jesus wieder zum Leben erweckt.

3. Bild: Der Streit der beiden Schwestern: Während sich Martha um den Haushalt kümmerte, saß ihre Schwester Maria „nur“ zu den Füßen Jesu und hörte ihm zu. Als Martha sich über die „Faulheit“ Marias empörte, antwortete Jesus diese habe „das bessere Teil“ erwählt  – eine zu dieser Zeit bemerkenswerte Würdigung der intellektuellen Fähigkeiten einer Frau.

4. Bild: Martha, die nach ihrer Vertreibung bei Tarascon gelandet ist, heilt einen Besessenen – allein durch liebevolle Berührung.

5. Bild: Martha hat den Drachen „Tarasque“ gezähmt – sie hat ihn nicht umgebracht, sondern mit Hilfe des Kreuzstabes besänftigt!

6. Bild: Wiederbelebung eines Ertrunkenen, der über den Fluß schwimmen wollte, um Martha predigen zu hören.

7. Bild: Martha auf dem Sterbebett, sie erfuhr ein Jahr vor ihrem Tod, dass sie sterben werde – was im Mittelalter eine große Gnade war, denn man konnte sich vorbereiten. Neben dem Sterbebett stehen Christus und ihre Schwester Maria.

8. Bild: Die Beerdigung Marthas, Christus hält die Trauerliturgie, ein Engel ministriert.

Das 1889 gegründete Diakoniewerk Martha-Maria erinnert noch heute unter dem Motto „Helfen und Zuhören“ an das Wirken der beiden Schwestern aus Bethanien. Und unser Altar ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, welche Verehrung diesen beiden starken Frauen schon vor über 500 Jahren entgegengebracht wurde.