Christus in der Kelter: Das Epitaph der Familie Stör (1471/1479)

Erläutert von Pfarrerin Susanne Bammessel

Dieses Epitaph wurde von Peter Stör († 1439) und seiner Frau Kunigunde gestiftet. Die beiden hatten sieben Söhne und fünf Töchter; das ist an der Stifterzeile unten zu „lesen“.

Der Bildteil ist theologisch durchkomponiert. Der goldene Hintergrund zeigt an, dass es sich um etwas sehr Wertvolles handelt. Thema ist das Altarsakrament, genauer: der „Saft der Trauben“.  Die gesamte Szenerie ist durchwoben von Textbändern; darauf sind Bibelzitate zu entziffern, die auf Christus verweisen.

In der Mitte oben sieht man Christus, wie er, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, eine Weinkelter tritt. Nicht wie ein Held, sondern als ein schwer Beladener. Der Hebelarm der Kelter lastet in Gestalt eines Kreuzes auf ihm. Ein ungewöhnlicher Ausdruck von Aktion und Passion zugleich: Christus ist hier nicht nur Opfer, sondern selbst aktiv Handelnder; er tritt seine eigene Kelter.

Umstellt ist diese Szene von den vier Kirchenvätern: Augustinus, Ambrosius, Hieronymus und Gregor I. Sie „verwalten“ das Blut (= Heil), das durch Christus gewonnen wird. In einem Wagen mit auffällig großen Rädern sitzen Papst Gregor und Bischof Augustinus bzw. Ambrosius. Sie fangen den „Saft“ in einem Fass auf. Der Wagen wird von vier Tiergestalten gezogen, die die vier Evangelisten symbolisieren: Lukas, der Stier; Markus, der Löwe; Johannes, der Adler; Matthäus, der Engel: Mit den Evangelisten als Zugtieren kommt das Evangelium voran.

Hinten in der linken Bildhälfte stehen würdig gekleidet Hieronymus mit dem Kardinalshut und Am­brosius, bzw. Augustinus mit der Bischofsmütze. Die beiden arbeiten mit Büttner-Werkzeugen, Hammer und Stemmeisen, an einem stehenden Fass. D.h. sie öffnen oder verschließen den Zugang zum Sakrament. Die Kirchenlehrer fungieren also als Vermittler und Bewahrer des Glaubensguts.

Auf der rechten Bildhälfte sind die weltlichen Stände zu erkennen. Auf einer Art Empore oder Turm thront der Kaiser, zu erkennen an Krone und Szepter. Unter ihm ist eine Kellertür geöffnet. Aus dem Dunkel zieht ein Fürst ein Fass heraus. Weitere Fürsten und geistliche Würdenträger sind hier versammelt. Sie tragen Kelche in ihren Händen: Das Altarsakrament des Blutes Christi ist notwendig für sie alle.

In der Stifterzeile sind unterhalb der Stifterfamilie sehr genau gemalt: Maiglöckchen, Hahnenfuß und Akelei, alles Heilpflanzen, die auf die Gegenwart des Heilandes Christus hinweisen.

Der Maler dieses Epitaphs ist nicht bekannt, die Entstehungszeit wird datiert um 1480. Mag das Bildthema heute auch befremdlich anmuten, so zeigt es doch in sehr besonderer Weise etwas von dem, worüber Gläubige meditieren, wenn sie die Hl. Messe und das Abendmahl feiern: Das „Geheimnis des Glaubens“.

Das theologische Gegenstück zu „Christus in der Kelter“ ist die „Hostienmühle“, die in der Lorenzkirche im Schlüsselfelderfenster (südl. Chorumgang) dargestellt ist und auch mittels QR-Code erläutert wird.