Tondörfer-Epitaph (um 1425)

Erläutert von Kirchenführer Thomas Rothe

Geschichte

Dieses kleine Relief aus gebranntem Ton hing ursprünglich an der nördlichen Außenwand der Lorenzkirche, in unmittelbarer Nähe des Grabes der mittelfränkischen Familie Tondörfer auf dem ehemaligen Lorenzer Friedhof. Das Epitaph wurde 1952 aus konservatorischen Gründen in das Kircheninnere transferiert.

Das Epitaph war dem Andenken eines nicht bestimmbaren Angehörigen der Familie Tondörfer gewidmet. Der mögliche Auftraggeber könnte Heinrich Tondoerffer gewesen sein, der von 1424 bis 1438 Priester an St. Lorenz war.

Mittels einer stilkritischen Analyse konnte das Werk einem mittelrheinischen Künstler zugeordnet werden, dem sogenannten Meister der Lorcher Kreuztragung (Bode-Museum, Berlin).

Beschreibung

Dargestellt ist die legendarische „Vision des Papstes Gregor“, später auch „Gregorsmesse“ genannt.

Im Vordergrund sehen wir rechts die Stifterfigur, erkenntlich an dem Wappen der Familie Tondörfer, links befindet sich ein Geistlicher in traditionelle Messgewänder gekleidet: Albe, Dalmatika und Pluviale. Obwohl der Figur der Kopf fehlt, kann sie als Papst identifiziert werden, da auf dem Rücken der Figur breite Bänder sichtbar sind, sogenannte Infuln. Diese finden sich nur an der päpstlichen Tiara oder der bischöflichen Mitra.

Im Hintergrund sehen wir einen Sarkophag, in dem Christus als Schmerzensmann steht, gestützt von Maria und Johannes. Hinter dem Sarkophag steht das Kreuz, „geschmückt“ mit sorgfältig dargestellten Passionssymbolen, den Arma Christi: Zwei Geißeln hängen am Kreuzesbalken, links erkennt man die Lanze und den auf einen Ysop-Stängel gesteckten Essigschwamm, rechts die Hände des Pilatus mit dem Waschbecken und einer Wasserkanne, über dem Kreuzesbalken den Kelch, mit dem der Engel Jesus am Ölberg stärkte, und den Hahn, der an die Verleugnung durch Petrus erinnert.

Aus dem Zusammenhang der Papstfigur mit dem Schmerzensmann im Hintergrund ergibt sich, dass es sich bei diesem Epitaph nur um die Darstellung der legendarischen Vision von Papst Gregor dem Großen († 604) handeln kann. In dieser um 1385 entstandenen Legende ist Gregor während einer Messe in einer Vision Christus als Schmerzensmann erschienen. Ein Symbol dafür, dass Christus während der Messe leibhaftig anwesend ist.

Dieser Bildtypus, später gemeinhin als „Gregorsmesse“ bezeichnet, tauchte in der christlichen Kunst ziemlich unvermittelt gegen Ende des 14. Jh. auf und verschwand rund 140 Jahre später, also am Anfang des 16. Jh., wieder genauso unvermittelt. Sein Niedergang dürfte unmittelbar mit der Reformation zusammenhängen. Während dieser kurzen Blütezeit fanden Darstellungen der Gregorsmesse in den unterschiedlichsten Ausführungen (Wandgemälde, Tafelbilder, Bildteppiche, Einblattdrucke) starken Zuspruch als öffentliche und private Andachtsbilder. So sind für Nürnberg wenigstens 24 erhaltene oder schriftlich belegte Gregorsmessen zu verzeichnen. Im späten Mittelalter müssen es aber weit mehr gewesen sein, so dass einst in jeder Kirche wohl mehrere Gregorsmessen zu sehen waren. Auch hier in der Lorenzkirche finden Sie am südlichen Chorschwellenpfeiler eine weitere Gregorsmesse aus der Werkstatt Wolgemuts.