Annenaltar

Erläutert von Kirchenführer Thomas Rothe

Geschichte

Der Annenaltar wurde 1510 von der Witwe Ottilie Maier († 1521) gestiftet, zum Gedenken an ihren 1507 verstorbenen Mann Haintz Maier. Verbunden mit der Stiftung war auch eine Altarpfründe im Wert von 1200 Gulden, um den Priester zu bezahlen, der mehrmals wöchentlich eine Seelenmesse für Haintz Maier lesen sollte. Zusammen mit dem Altar war diese Stiftung etwa so kostspielig wie Sakramentshaus und Engelsgruß zusammen!

Der beauftragte Künstler war Hans von Kulmbach (Gesamtentwurf und Tafelbilder), die Schnitzgruppe wird dem Meister der Nürnberger Madonna, einer der bedeutendsten Marienskulpturen im Germanischen Nationalmuseum, zugeschrieben. Zur Entstehungszeit des Altars war Hans von Kulmbach Mitabeiter in Dürers Werkstatt, wo er auch Gesamtwerke wie diesen Altar als Auftragnehmer eigenständig betreuen durfte.

Beschreibung

Der Altar ist der hl. Anna geweiht, der Mutter Mariens, also der Großmutter Jesu. Im Altarschrein sind alle drei, wie in einem Familienfoto, als Gruppe präsentiert, eine sogenannte „Anna selbdritt“-Darstellung. Maria reicht das zappelnde Jesuskind ihrer Mutter, die schon die Arme nach ihrem Enkel ausstreckt, doch Jesus will weiter: er strebt zum Hauptaltar der Kirche, seinem Lebensziel entgegen.

Über dieser Gruppe findet man Gottvater, geheimnisvoll vom sogenannten Schleierwerk verschattet, umgeben von einer Gruppe bezaubernder musizierender Engel – ein verborgener Schatz, den man nur sieht, wenn man genau hinschaut. Auf den Seitenflügeln sehen wir, feierlich vor Goldgrund gesetzt, links Josef und rechts Joachim, den Ehemann Annas. Beachtenswert, wie der unsichtbare Bogen, der die Köpfe von Josef, Maria, Jesus, Anna und Joachim verbindet, zusammen mit dem gegenläufigen Bogen des Schleierwerks die heilige Familie schützend umfängt.

Auf der Vorderseite der Predella, unterhalb des Schreins, finden wir links und rechts die Gedenkbilder für Haintz und Ottilie Maier; in der Predella stehen zwei Reliquienhäuser mit vielen Fächern. Ein Hinweis darauf, dass der Altar mit einer Vielzahl kostbarer Reliquien ausgestattet war.

Die ehemals vorhandenen Standflügel und die Außenseiten der Klapptafeln befinden sich heute in der Bamberger Residenzgalerie. Sie zeigen die Alltagsseite des geschlossenen Altars mit folgenden Heiligen (v.l.n.r):

Zacharias mit Elisabeth, Vitalis mit Dionysius, Gubinus mit Sigismund, Benedikt mit Willibald.

Erfreulicherweise hat sich auch das den Altar nach oben hin abschließende Gesprenge erhalten, ohne das ein gotischer Altar nicht komplett war. Direkt über dem Schrein finden wir hier eine weitere Anna selbdritt, flankiert von den Namenspatronen der Stifter: Heinrich II. (Heintz) und die hl. Ottilie.

Die darüber befindliche Madonna mit Kind und die Taube des Hl. Geistes schließen das Gesprenge nach oben ab. Und wenn Sie sich fragen, warum Anna auf diesem Altar zweimal dargestellt ist, dann lautet die Antwort: Weil bei geschlossenem Altar die Anna im Schrein nicht mehr sichtbar war.

Aufgrund seiner hervorragenden künstlerischen Qualität, der harmonischen Farbgebung und der ausgewogenen Gesamtkomposition ist der Annenaltar für mich der schönste Altar unserer Lorenzkirche.