Die Handwerkerstühle

Erläutert von Kirchenführer Thomas Rothe

Oft werden wir Kirchenführer gefragt, ob es sich bei diesen „seltsamen“, reich verzierten Stühlen um ehemalige Beichtstühle handele. Die Antwort lautet: Nein, es sind Stühle, an denen früher Almosen eingesammelt wurden. Doch wie kam es zu dieser Nürnberger Besonderheit, und wie war es organisiert?

Geschichte der Handwerkerstühle

Vor der Reformation oblag die Armenfürsorge den Nürnberger Klöstern und privaten Stiftungen. Als nach der Reformation die Klöster aufgelöst wurde, nahm das Betteln auf den Straßen massiv zu. Als die seit 1522 in den Nürnberger Kirchen eingeführte Klingelbeutelkollekte immer geringer ausfiel, verpflichtete 1588 der Rat die größeren Handwerke zum Geldsammeln in den Kirchen. Das „Kirchenstuhlsitzen“ der als zuverlässig angesehenen Meister in den reich verzierten Handwerkerstühlen an den Ausgängen galt als Ehrenamt und war durch „Kirchensitztafeln“ geregelt.

Nach Ende der „Sitzzeit“ wurde das gesammelte Geld in die Sakristei verbracht und den städtischen Almosenpflegern übergeben, die für die Verwaltung und Verteilung der Almosen an die Bedürftigen verantwortlich waren.

Die Handwerkerstühle wurden im Lauf der Jahre immer aufwändiger gestaltet, und es entwickelte sich ein regelrechter Wettbewerb, welches Handwerk den schönsten Stuhl hatte. Insignien mit Abbildungen der Produkte wiesen oft stolz auf das jeweilige Handwerk hin.

Im 19. Jahrhundert wurde das Kirchenstuhlsitzen zunehmend als Last empfunden und 1866 ganz abgeschafft.

Historische Anekdote

Bei der Restaurierung eines unserer Handwerkerstühle wurde in einer Ritze ein wertloser Holzpfennig gefunden, ein sogenannter „Rechenpfennig“. Die Unsitte, bei der Kollekte einen Knopf einzuwerfen, ist also keine Erfindung der modernen Zeit!

Moderner Nachfolger der Handwerkerstühle

Heutzutage gibt es elektronische Klingelbeutel, bei denen man seine Kollekte bargeldlos mittels Kredit- oder EC-Karte „einwerfen“ kann. Auch bei uns steht ein solcher „Kollektomat“ am Ausgang, wo Sie ganz einfach für unsere Kirche eine Spende zwischen 1 und 999 €  veranlassen können. Versuchen Sie es doch einmal!

Erhaltene Handwerkerstühle in St. Lorenz

Es haben sich 10 Handwerkerstühle aus der Barockzeit erhalten:

Schwarz- und Weißbüttner, 1669

Huf- und Wagenschmiede, 1698

Kannengießer (Zinngießer), um 1700

Korbmacher, 1708

Pfragner (Gemischtwarenhändler), 1680

Rotgießer (Messinggießer), 1664

Tuchmacher, 1698

Zimmerleute, ohne Jahresangabe

Ohne Insignien, 1647

Ohne Insignien, 1663