Geschichte der Orgeln

Die gotische Orgel von Burkhard Dinstlinger

Schon im 15. Jahrhundert brachte man in Nürnberg der Orgelmusik eine besondere Achtung entgegen. Das zeigt sich u. a. an der großen Zahl von Orgelneubauten und Reparaturen, die im Laufe der Jahrhunderte für sinnvoll und notwendig erachtet und finanziert wurden.

Vielleicht am sinnfälligsten wird dieser hohe Anspruch am Erweiterungsbau der Lorenzer Langhausorgel, als nach Vollendung des Hallenchors im Jahre 1477 die beiden vorhandenen Orgeln von 1444 und 1476 den neuen, riesigen Kirchenraum klanglich nicht mehr zu füllen vermochten. Durch den renommierten Frankfurter Orgelbauer Leonhard Mertz ließ der Rat der Stadt die bestehenden Instrumente 1478/79 zu einem der größten Orgelwerke der Epoche mit dann über 1600 Pfeifen ausbauen. Das große Instrument an der Stelle der heutigen Laurentiusorgel verursachte durch sein ungeheures Gewicht jedoch alsbald Bauschäden und musste deshalb schon 1498 wieder abgebaut werden. Dessen ungeachtet kündete noch 1490 ein Lobgedicht des Meistersingers Rosenplüt von der Bedeutung der Riesenorgel nicht nur für die Kirchengemeinde, sondern für die ganze Stadt, indem er das Lorenzer Instrument mit der „Meng’ der Orgelröhren“ als 10. Kleinod der Stadt Nürnberg pries.

Ersetzt wurde das Instrument durch eine neue, kleinere Orgel des Bozner Orgelbauers Burkhard Dinstlinger, von der leider nur wenige technische Daten überliefert sind. Bis zu ihrem Abbruch 1721 hing diese Schwalbennestorgel an der nördlichen Obergadenwand, lediglich die Empore blieb noch einige Jahrzehnte als Sängerempore stehen.

Renaissance-Orgel aus der Dominikanerkirche

Ergänzt wurde dieses Instrument ab etwa 1540 durch die Orgel der Dominikanerkirche, die in einem neuen Renaissanceprospekt über der Kanzel angebracht wurde. Die Westempore hingegen hatte wohl wegen ihres akustisch ungünstigen Standorts nur 1663-75 eine Orgel getragen.

Erst im 19. Jahrhundert empfand man architektonische Gründe als so gewichtig, dass man 1831 die Dominikanerorgel abbrach und Augustin Bittner unter Wiederverwendung einzelner Teile auf der Westempore ein neues Orgelwerk errichtete, dessen neugotisches Gehäuse Carl Alexander Heideloff entworfen hatte. 1879 kam es zur völligen Erneuerung dieser Anlage. Das neue Instrument der Oettinger Orgelbaufirma Steinmeyer erhielt dabei auch ein neues Gehäuse in spätgotischen Formen, entworfen vom Nürnberger Architekten Karl Hammer. Während all dieser Jahre besaß die Kirche stets ein weiteres, kleineres Orgelwerk, das meist im Hallenchor stand. Das gleichzeitige Spiel an mehreren Orgeln ist bereits durch die Lorenzer Hochzeitsordnung vom 13. Oktober 1590 bezeugt. Diese großzügige Ausstattung ist in der repräsentativen Stellung der Lorenzkirche im städtischen Leben begründet, sie ist aber vor allem eine Reaktion auf die akustisch schwierigen Bedingungen des riesigen Raums. Damals wie heute gilt es, den schallschluckenden Eigenschaften Nürnberger Burgsandsteins zu begegnen.

Stephanus- Haupt- und Laurentiusorgel

Die heutige, im Juni 2005 vollendete Lorenzer Orgeltrias basiert zum einen auf der vor 500 Jahren gefundenen mehrchörigen Lösung, zum anderen ist sie eine modifizierte Wiederherstellung des 1937 von Johannes Gustav Mehl mit der Orgelbauwerkstatt Steinmeyer entwickelten Raumklangkonzepts. Damals kam es zur völligen Erneuerung der Orgelwerke in der Kirche. Dank einer elektrischen Traktur war es möglich geworden, drei räumlich weit voneinander aufgestellte Instrumente von einem Organisten simultan zu spielen – eine Hauptorgel auf der Westempore, eine Schwalbennestorgel (= Laurentiusorgel) am ersten Orgelstandort der Kirche, dem nördlichen Langhausobergaden, und eine Chororgel auf der umlaufenden Galerie. Diese Orgelanlage hatte allerdings nur kurze Zeit Bestand. 1943 bzw. 1945 wurde sie großenteils zerstört. Immerhin jedoch hatte die Hauptorgel im Schutz der beiden Türme den Krieg so gut überstanden, dass ihr Werk wiederverwendbar war. Julius Lincke und Heinz Heiber nahmen jedoch 1950 Veränderungen an der Prospektgestaltung vor und stellten die bislang durch einen Freipfeifenprospekt im unteren Bereich verstellte Rosette endlich vollkommen frei. 1962 konnte die Werkstatt Steinmeyer wenigstens die Laurentiusorgel wiederherstellen, das Gehäuse hatte Georg Stolz entworfen.

Im Jahr 2000 fiel der Beschluss zu einer veränderten Neuauflage des Raumklangkonzeptes von Mehl, was wieder eine dritte Orgel im Chor verlangte. Die als denkmalwürdig eingestufte Hauptorgel auf der Westempore wurde zur Basis des Lorenzer Orgelprojekts. Sie wurde 2003 auf das Klangbild ihrer Erbauungszeit (1936/1937) zurückgeführt und – anderen Steinmeyer-Instrumenten der Zeit entsprechend –  um ein Hochdruckwerk erweitert. Den Prospekt beließ man in der Gestalt der Wiederaufbauzeit. Bei der 2002 eingeweihten Stephanusorgel im südwestlichen Hallenchor fand ein Steinmeyer-Werk von 1862 aus Hersbruck in einem neuen, von Georg Stolz entworfenen Prospekt Wiederverwendung, während das stark umgebaute Gehäuse der Laurentiusorgel 2005 ein neues Orgelwerk der Bonner Orgelbauwerkstatt Klais erhielt. Die Technik (Spieltische, Setzeranlage, Verkabelung) wurde auf den neuesten Stand gebracht. Heute können alle drei Orgeln sowohl einzeln als auch gemeinsam von einem oder mehreren Organisten gespielt werden. Ist von den mechanischen Spieltischen der Laurentius- und der Stephanusorgel aus lediglich das Spiel der entsprechenden Orgel möglich, so kann von den beiden synchronisierten Zentralspieltischen auf der Westempore bzw. im Kirchenschiff auf alle Orgeln zugegriffen werden. Ausgeführt wurden die Arbeiten durch die Werkstatt Klais(Bonn) sowie durch die ortsansässige Orgelbauwerkstatt Benedikt Friedrich aus Oberasbach. Sämtliche Kosten des Lorenzer Orgelprojekts (2,7 Millionen Euro) wurden durch Stiftungen und Spenden aufgebracht.