Geschichte des Geläuts
Mit der Errichtung einer hochgotischen Basilika ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts beginnt auch die Geschichte der uns bekannten Glocken von St. Lorenz.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde wohl für den auch der Überlieferung nach älteren Nordturm die Feyerglocke mit ihren bemerkenswerten Ritzzeichnungen auf der Flanke gegossen. Der gegen 1400 vollendete jüngere Südturm erhielt mit der Garausglocke und der inschriftlich 1409 datierten und von Heinrich Grunwalt gegossenen Laurentia ein Glockenpaar, das bis heute Teil des Lorenzer Geläuts ist.
Die ersten Glocken
Die ursprüngliche Aufhängung der drei Glocken lässt sich nicht mehr rekonstruieren; in beiden Türmen wurden im Frühjahr 1437, gut zwei Jahre vor dem Baubeginn des spätgotischen Hallenchors, neue Glockenstühle errichtet, die kaum die ersten der Türme gewesen sein dürften. Für das südliche Fach des Glockenstuhls auf dem Nordturm goss Hans Glockengießer III. 1552 die Tagmessglocke als Ersatz für eine gesprungene Vorgängerin von 1442. In der Barockzeit, 1678 und 1718, wurde das Lorenzer Geläut abermals erweitert. Im Oktogon des Südturms montierte man zwei von Wolfgang Hieronymus bzw. Johann Balthasar Herold gegossene Vesperglocken. Eine 1851 als Ersatz für die Vesperglocke von 1678 gegossene Totenglocke wurde schon im Ersten Weltkrieg wieder an die Metallreserve abgegeben.
Kriege und Katastrophen
Nachdem im Januar 1865 Helm sowie Oktogon des Nordturms in Folge eines Blitzeinschlags ausgebrannt waren, erhielt der nach altem Vorbild rekonstruierte Helm zwei neue Uhrschlagglocken von den Gebrüdern Lenz und Herold in den beiden Laternen als Ersatz für die geschmolzenen Vorgängerinnen von 1477 und 1498. Im Zweiten Weltkrieg waren dies die beiden einzigen Glocken des Lorenzer Geläuts, die nicht der Kategorie „D“ zugeordnet, also nicht als historisch besonders wertvoll eingestuft wurden. Wegen der Schwierigkeiten einer Abnahme verblieben sie jedoch auf ihrem Turm.
In den letzten Kriegswochen erlitten beide Türme teils schwere Einschüsse durch PAK-Granaten. Eine von Osten her in die Glockenstube des Nordturms eindringende Granate riss bei Ihrer Detonation aus dem Mantel der Feyerglocke ein ca. 350 kg schweres Stück heraus und machte sie, nachdem sie Jahrhunderte lang wegen eines erst 1911 bei Schilling in Apolda geschweißten Risses nicht mehr geläutet wurde, erneut unbrauchbar.
Neue Pläne
Obwohl es im Zweiten Weltkrieg außer dieser Beschädigung zu keinen weiteren Verlusten am Bestand der Läuteglocken gekommen war, sollte die Lorenzkirche wegen ihrer Bedeutung als größte evangelische Kirche Bayerns und Einführungsort der Landesbischöfe ein umfangreicheres Geläute tragen. Der Glockensachverständige Johannes G. Mehl entwarf dafür 1953 eine weitgespannte Disposition, die wenigstens die drei mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Großglocken ins Plenum integrierte. Als tiefste Stimme sah er eine auf 10.000 kg disponierte e°-Glocke vor, die den Namen Hosanna tragen sollte. Ihre Aufhängung an einem gekröpften Joch wäre im Geschoss des Nordturms unter der Glockenstube in einem Eisenstuhl erfolgt. Mit einem fünfstimmigen Cymbelgeläute in der ehemaligen Türmerstube des Nordturms, durch das die Silberglocke im Giebeltürmchen nun auch klanglich ins Plenum integriert werden konnte, wollte Mehl dem Geläute eine Klangkrone aufsetzen. Für den Auftrag empfahl er den Glockengießer Friedrich Wilhelm Schilling in Heidelberg. Die intakte barocke Vesper- und die beschädigte Feyerglocke, letztere damals wegen ihrer Jochinschrift irrtümlich auf 1505 datiert, wurden abgenommen und Schilling zum Einschmelzen überlassen. Die historische Silberglocke mit dem Schlagton d‘‘‘ im Giebeltürmchen der Westfassade, wohl in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von der Patrizierfamilie Imhoff gestiftet, musste einem Neuguss mit gleichem Schlagton, jedoch verändertem Teiltonaufbau weichen, wanderte zunächst ins Magazin und hängt seit 1989 in einem eigens für sie angefertigten Holzglockenstuhl unter dem Knorrfenster in einer Kapelle des Chorumgangs. Die Neugüsse sollten in drei Abschnitten eingeholt werden. Nach ihrer Montage im Herbst 1953 erklangen alle neuen Glocken des Hauptgeläutes am darauffolgenden vierten Advent zum ersten Mal. Im Frühjahr 1955 folgte die Weihe der Cymbelglocken. Eine Anschaffung der Hosanna wurde um 1960 vornehmlich aus statischen Gründen endgültig verworfen.
Der Um- bzw. Neubau der Glockenstühle sowie die Anfertigung neuer Joche erfolgte durchweg in Eichenholz. Den bildhauerischen Schmuck der neuen Glocken entwarf der aus Weißenburg stammende Bildhauer Karl Hemmeter. Friedrich Wilhelm Schilling verzichtete auf eine Entlohnung für den eigentlichen Guss und stellte nur Material, Klöppel und Montage in Rechnung. Bei den Cymbelglocken stiftete er sogar die Bronze. Weil er mit der Innenharmonie zweier seiner Glocken unzufrieden war, ersetzte er Benedictus- sowie Silberglocke 1958 bzw. 1961 durch Neugüsse. Die ausgemusterte Benedictusglocke läutet heute in der Aussegnungshalle des Friedhofs von Weißenbrunn bei Leinburg.
Die Feyerglocke
Der Aufmerksamkeit Schillings ist der Erhalt der Feyerglocke zu verdanken. Wegen ihrer Ritzzeichnungen bewahrte er sie vor dem Einschmelzen. Eine Untersuchung bestätigte die Vermutung, dass die Glocke weit älter war als die Jochinschrift vermuten ließ. Die Lorenzer Kirchengemeinde kaufte die Glocke daraufhin zurück. In der Nördlinger Werkstatt Hans Lachenmeyers 1959 erfolgreich geschweißt, steht die älteste Nürnberger Glocke mit dem Schlagton e’+0,5 heute unter der Westempore vor dem Hauptportal. Mehl bescheinigte ihr in seinem Gutachten ein markiges, kräftiges, dabei etwas hohl wirkendes Klangbild, welches untypisch für eine gotische Rippe sei und eher an romanische Klänge erinnere. Die Glocke kehrte nie mehr an ihren früheren Platz im nördlichen Fach des Glockenstuhls auf dem Nordturm zurück, den inzwischen die Christusglocke eingenommen hatte. Eine zunächst erwogene Montage in der Turmstube der Hosanna scheiterte mit deren Aufgabe ebenfalls. Eine zur Reduktion des Horizontalschubs beim Läuten vorgenommene Sanierungsmaßnahme durch Gegengewichte über den Jochen, Einbau von Reversionsklöppeln und die Herabsetzung der Läutewinkel einiger Glocken beeinflusst die Klangentfaltung seit 2002 nachteilig.